Das Gespräch in voller Länge

SRVb: Hallo Ansgar! (Anm.: unter Ruderern ist das Du üblich)

 

FV: Hallo Ansgar! (Anm: bei Selbstgesprächen ebenso)

 

SRVb: Sag mal, Du siehst ziemlich geschafft und erschöpft aus. Was ist denn los?

 

FV: Ach, frag lieber nicht! Seit vielen Jahren sorgen wir uns um den Rudersport in Wiesbaden. Daher haben wir 2016 ja auch den Förderverein gegründet. Das schwimmende Bootshaus der Stadt, in dem die Schulen seit 1985 rudern, ist ziemlich marode und könnte irgendwann auf den Hafengrund absinken. Jetzt ist es gerade geschlossen worden.

 

SRVb: Das Bootshaus ist doch erst 37 Jahre alt. Wie kann das denn marode sein?

 

FV: Wenn man ein Auto kauft und nicht regelmäßig in der Werkstatt warten lässt, verringert das die Lebensdauer.

 

SRVb: Das müssen die Lehkräfte und Trainer doch beobachtet und Bescheid gesagt haben.

 

FV: Im Schuldienst wird sehr auf die Einhaltung der Dienstwege und Zuständigkeiten geachtet. Die Personalknappheit und den Ämtern, Budgetierungen. Das kann dauern. Außerdem war zwischen Schulamt und Sportamt lange Zeit nicht klar, wer wofür zuständig ist. Ein Hausmeister wurde auch selten gesehen.

 

SRVb: Ja, ok. Die Landeshauptstadt Hessens wird nun sicher ein neues Bootshaus bauen lassen. Da muss man doch nicht erschöpft sein.

 

FV: So einfach ist das leider nicht. Seit 2017 läuft das Bootshaus nur noch im Notbetrieb, es gibt keine Duschen mehr und nur noch Dixieklos auf dem Land, der Steg hat eine geringe Tragfähigkeit und ist dadurch teilweise unter Wasser. Das macht ihn rutschig. Dazu wurden defekte Heizkörper und Rolltore über mehrere Monate hinweg nicht repariert. Das sind ziemlich unattraktive Bedingungen, wenn man Kindern und Jugendlichen für den Rudersport gewinnen will.

 

SRVb: Verstehe. Obwohl das klingt ja wie nach Rockys „Eye of the tiger“. In der Vergangenheit waren die Wiesbadener Schulen doch sehr erfolgreich. 2015-2017 qualifizierten sich jährlich Wiesbadener Mannschaften für das Bundesfinale Jugend trainiert in Berlin, richtig?

 

FV: (stolz) Du sagst es. Und die Erfolge im Vereinsrudern nicht zu vergessen: Jährliche Teilnahmen am Bundeswettbewerb der Kinder und 2018 sogar ein Titel bei der Deutschen Jugendmeisterschaft. Aber das ist inzwischen schon wieder etwas her. Wir mussten seit 2017 viel Zeit und Kraft in den Erhalt und den Neubau des Bootshauses stecken: Ortstermine, Ausschusssitzungen und zahlreiche Korrespondenzen. Da bleibt weniger Energie für die Kinder und Jugendlichen. Aber wir wollen uns nicht unterkriegen lassen und haben trotz aller Schwierigkeiten auch 2021 eine gute Saison hinbekommen.

 

SRVb: Aber das wird von Euch in Wiesbaden ja auch erwartet. Die Elly-Heuss-Schule ist Partnerschule des Leistungssports und federführend im Regionalen Talentzentrum. Wo sollen denn sonst die Talente im Spitzensport herkommen?!

 

….Ja, ist das denn nicht so, dass sich Verein und Schulen um den Sportbetrieb kümmern und die Stadt erledigt als Schulträger ihre Aufgabe?

 

FV: (lacht)

 

SRVb: Erzähl doch mal!

 

FV: Der Wille ist bei der Stadt schon da. Die Stadt weiß auch, dass man nicht nur Fußballplätze für den Vereinssport oder Sporthallen für den Schulsport haben kann und ein vielseitiges Angebot für die Kinder und Jugendlichen braucht. Dass es im Lehrplan „Pflichtsportarten“ gibt und andere Sportarten nachrangig behandelt werden können, ist ja ein Ammenmärchen aus vergangenen Jahrhunderten. Das wäre eine Art Triage, bei der der Mangel nur verwaltet wird. Wiesbaden liegt am Wasser und der Hafen ist ein Juwel. Der Rudersport hat dort beste Voraussetzungen. Es hapert wohl an der Umsetzung. Es scheint so, als gäbe es sehr lange Entscheidungswege, die Zuständigkeiten sind sehr verworren. Obwohl der Oberbürgermeister der Sportderzernent und der Kämmerer gleichzeitig der Schuldezernent ist und die Wege zu einer Lösung kurz sein müssten.

 

SRVb: (verwirrt) Das klinkt merkwürdig.

 

FV: Beispielsweise ist das Bootshaus in der Zuständigkeit des Schulamtes (seit 2011, vorher teilweise auch beim Sportamt). Das politische Gremium, in dem über das Schulbootshaus gesprochen wird, ist aber der Sportausschuss und nicht der Schulausschuss.

 

SRVb: Das wird mir zu kompliziert. Aber in Kassel (Uni) oder in Frankfurt (Schulruderzentrum) sind doch zuletzt auch schöne neue Bootshäuser gebaut worden…

 

FV: (verzweifelt) Keine Ahnung, warum das dort anscheinend problemlos funktioniert hat. Vielleicht, weil in Wiesbaden das Bootshaus hochwassersicher schwimmt. Das ist ein Riesenvorteil, aber dafür braucht man natürlich Expertenwissen.

 

SRVb: Und wo soll das herkommen?

 

FV: Wir schlagen vor, eine Fachfirma mit der Planung und der Umsetzung zu beauftragen.

 

SRVb: Ok, schauen wir nach vorne. Die letzten zwei Jahre der Pandemie haben bei vielen Kindern Bewegungsmangel verursacht. Was macht ihr dagegen?

 

FV: Wir haben mit viel Zeit und Aufwand versucht, sehr individuelle Bewegungsangebote in Kleinbooten auf dem Wasser zu machen. Gleichzeitig haben wir ein Kirchboot (ein 10er Wikingerschiff) gekauft, mit dem wir die Wiesbadener Kinder in Bewegung bringen wollen. Bootfahren hat doch schon immer Spaß gemacht und lockt auch Sportmuffel an. Wandertage für Schulklassen, Flusswanderfahrten – das wird eine tolle Sache.

 

SRVb: Denkt bitte auch an die Talentregatta! Mit der habt ihr sogar Schulen von der Mosel an den Hafen gelockt. Die Regatta 2022 wäre wichtig, weil es zwei Jahre lang kaum Wettkämpfe für Schülermannschaften gegeben hat.

 

FV: Wenn das Bootshaus wieder offen ist und die Pandemie es nicht verhindert, wollen wir das wieder machen. Wir bauen aber auf die Unterstützung durch den Schülerruderverband.

 

SRVb: Na klar, Ansgar, Du kannst Dich auf uns verlassen (Zwinkersmiley). Dann wünsche ich Euch (und uns) für Euer Bootshaus alles Gute!